...traut sich, Dinge wegzulassen. Schon früh hat Wyrzykowski Versuche mit Öl und Fett auf großen Papierflächen angestellt. Hinterleuchtet und damit in Teilen transluzent, ganz ohne Zugabe von Farbpigment, konnten sich deren Materialität im gegenseitigen Durchwirken von Bildträger und Malmittel entfalten. Die Eingriffe des Künstlers wurden so gering wie möglich gehalten. Überraschung wird dabei zu einem zentralen Moment der Bildfindung.
Auch seine aktuelle, sehr leuchtkräftige Malerei folgt dieser früh erlernten Rücksichtnahme auf die Verhaltensweisen von Farbe und Bildträger. Der Malprozess scheint häufig ganz dem Eigenwillen der Farbe selbst zu gehorchen. Man erlebt förmlich mit, wie der Künstler sich beim Entstehen des Bildes von der Farbe überwältigen lässt und ihren Wünschen folgt. Sie erscheint emanzipiert und dominiert alles, was sich auch nur ansatzweise in Richtung Bildgedanke entwickeln könnte.
Gleichzeitig liefert der Aufbau der Bilder dem Auge des Betrachters verschiedenste Möglichkeiten, an traditionelle Bildmotivik anzuknüpfen. Man kann das eigene Gehirn förmlich dabei beobachten, wie es Inhalte zu erzwingen sucht: Ein vermeintlich spontan gesetzter horizontaler Pinselstrich evoziert einen Horizont, und legt dabei die Wirkweise des gesamten Genres der Landschaftsmalerei offen. Schwer ist manch kunstvoll aufgeschichteter, kraquelierender Berg aus Ölfarbe - nicht nur unter dem Gewichtsaspekt - und bildet auf einer, wie ein Trommelfell gespannten, in weiten Teilen leer belassenen Leinwand mit dieser ein Gegensatzpaar.
Ein Titel wie „Komet und Pool“ lässt - schon bevor man das Bild gesehen hat - eine surrealistische Konzeption im Kopf entstehen, die dann durch die tatsächlich spröde Einfachheit der Formen konterkariert wird.
Überhaupt die Titel: Sie benennen derart offensichtlich das, was man bereits sieht, so dass von ihnen Aufschluss über weitere Interpretationsebenen des Bildes nicht erwartet werden dürfen. Muss man diese beinahe „konkrete“ Titelfindung als hintergründig humorvolle Einlassung des Künstlers zu den Gepflogenheiten der Bildrezeption verstehen? Man bleibt jedenfalls auf die Farbe als Hauptinformationsträger zurückverwiesen.
Die Konkurrenz zwischen Eigenmächtigkeit der Farbe und Wille des Betrachters, „etwas im Bild zu sehen“ ist durchaus irritierend. Auf Grund dieses provozierenden Puritanismus kann es sein, dass sich die Bilder, nachdem man sich längst von ihnen abgewendet hat in die Erinnerung zurück stehlen und den Betrachter weiter beschäftigen, mehr vielleicht und länger als es ein opulentes Werk vermocht hätte, das den bestehenden Erwartungen an Malerei und Landschaft genügte.
Wer Wyrzykowski kennt, weiß, dass er auch beim Reden nur das Allernötigste preisgibt. Umso mehr überrascht es daher, ihn zu diesem komplexen Vorgang der Interaktion zwischen Künstler und Material bei der Entstehung eines Bildes zu hören. Eine der schwierigsten Entscheidungen sei, zu spüren, wann ein Bild fertig ist. Er spricht von „Selbstüberwindung durch Aufhören“.
In einer anderen Äußerung vergleicht er den Vorgang der Bildentstehung mit dem Aufblühen einer Blüte:
„Wann ist die Blüte perfekt? Dann schneidet man sie ab. Es ist ein brutaler Akt, eine Blüte abzuschneiden“. Als gelernter Gärtner weiß Tobias Wyrzykowski wovon er spricht.
Ein Text von Michael Munding